Hallo Bernd, die heutige Frage mag ein wenig aus deinem Expertenbereich rausragen, aber wir möchten trotzdem deine Meinung dazu wissen: Welche Kleidung sollte ein Webmaster tragen, wenn er ein Offline-Seminar besucht? Ist ein Anzug in unserer jungen, dynamischen Branche noch angebracht? Kann es auch ein Urlaubsoutfit sein um zu zeigen, dass man „frei“ ist?
Hi Götz und Guido,
Vor kurzem hatte ich einen Fototermin mit einem frisch diplomierten Bauingenieur. Der junge Mann brauchte für seine anstehende Stellensuche ein aussagekräftiges Bewerbungsfoto. Als wir uns in meinen Kölner Fotostudio trafen, viel mir auf, dass mein Kunde nicht gerade vorteilhaft für das bevorstehende shooting gekleidet war. Sein Sakko war unifarben braun und einen Tick zu groß, das Hemd grob kariert und ebenfalls in Beige- und Brauntönen gehalten. Eine Krawatte hatte er erst gar nicht mitgebracht. Aus meiner Sicht hatte das Outfit des wirklich sehr sympathischen jungen Herrn, nicht viel mit seinem zukünftigen Beruf gemein.
Mir ist klar, dass ein Bauingenieur kein Banker oder Unternehmensberater ist und demnach auch nicht im feinsten, maßgeschneiderten Tuch vor meine Kamera treten muss. Dieser Freizeitlook, den mein Kunde sich für seine fotografische Selbstpräsentation ausgewählt hatte, war aber eindeutig des Lässigen zu viel. Als ich während unseres Vorbereitungsgesprächs den ersten zaghaften Versuch startete, das ”Kleidungsproblem“ anzusprechen, unterbrach er mich mit einer dezent abwertenden Handbewegung:
„Ach wissen Sie. Ich bin da mehr auf mein fachliches Können fixiert, da habe ich auch wirklich was zu bieten. Mit meiner Kleidung möchte ich erst gar nicht groß kommunizieren. Das ist nicht mein Ding“, führte er aus.
„Das geht aber nicht!“, erwiderte ich – ganz bewusst kurz und bündig.
„Wie meinen sie das?“, hakte er, sichtlich von meiner Aussage überrascht, nach.
„Es geht einfach nicht, dass Sie mit Ihrem Äußeren nicht kommunizieren. Sie mögen sich das vielleicht vornehmen, aber sie transportieren mit Ihrem Äußeren – und dazu gehört nun mal Ihre Kleidung – IMMER Informationen. Mit Ihrem jetzigen Kleidungsstil drücken Sie zum Beispiel vornehmlich eine gehörige Portion Lässigkeit aus. Aus meiner Sicht ist das für unser Vorhaben, sie zielführend für Ihre Bewerbungen als Ingenieur zu fotografieren, schwierig.“
Es gelang mir meinen Kunden zu überreden, sein grob kariertes Hemd gegen ein hellblaues Businesshemden, das ich zum Glück noch als Ersatzhemd im Studio hatte, auszutauschen. Auch eine dezent gemusterte Krawatte in hellblau/dunkelblau -Tönen hing zum Glück noch auf meinem Kleiderständer und unser Fotoshooting konnte nach einigem Hin- und Herbezupfe an seinem zu weiten Sakko losgehen.
Die wichtigste Feststellung beim Versuch eure Kleidungsfrage zu beantworten ist also:
Kleidung kommuniziert immer!
Internetmarketer und Webdesigner zähle ich zu der Berufs- oder Unternehmensgattung “Medienberufe“. Fotografen gehören natürlich ebenfalls in diese Berufgruppe hinein. Und was ich als „Freiberuflicher Fotograf“ schon während meines Designstudiums realisiert habe, war, dass ich bei der Abwicklung meiner Fotoaufträge auf die unterschiedlichsten Menschen aus den unterschiedlichsten Berufs- und Unternehmensbereichen treffe. In Extremfällen fotografiere ich montags einen hoch dekorierten Mediziner in seiner Privatpraxis und dienstags den Türsteher einer Kölner Szene-Disco. Da diese Auftragskonstellation vor kurzem tatsächlich innerhalb einer Arbeitswoche Realität war, hilft es Euch vielleicht, wenn ich einfach mal beschreibe, was ich zu welchem Termin angezogen habe.
Bei meinem Fototermin mit dem Türsteher trug ich schwarz-weiße Adidas Turnschuhe und eine schlichte Jeans einer bekannten Marke. Diesen, vielleicht etwas zu sportlich-lässigen und gewöhnlichen ”Jeans-Turnschuh-Look“, kombinierte ich mit einem weiß-hellgrau kariertem Businesshemd mit Kentkragen. Darüber trug ich eine hochwertige Wachsjacke. Die gewählte Jacke passte gut zu meinem lässig und sportlich wirkenden Jeans-Turnschuh- Outfit. Der gepflegte Kentkragen meines Hemdes sorgte dafür, dass ich bei meinem Gegenüber den nötigen aufgeräumten und ”gut angezogenen“ Eindruck hinterlasse. Ich fühlte mich sehr wohl in diesem praktischen Streetwear-Outfit.
Für den Fototermin mit dem Mediziner entschied ich mich bewusst auf Jeans und Turnschuhe zu verzichten. Stattdessen trug ich eine dunkelgraue Buntfaltenhose aus hochwertiger Schurwolle und hochwertige, rahmengenähte, schwarze Lederschuhe.
Die relativ preiswert ergatterte, aber dennoch sehr gut sitzende Buntfaltenhose mit Umschlag kombinierte ich mit einem schwarzen, leicht taillierten ”Edelsakko“, ebenfalls aus hochwertiger Schurwolle, eines bekannten italienischen Herstellers (um 500 €). Das Sakko hat eine nahezu perfekte Passform. Dafür ist unter anderem das aufwändig von Hand eingenähte Revers verantwortlich, dass sich sehr gut an meinen Oberkörper anschmiegt. Die Ärmel habe ich ein wenig kürzen lassen, so dass meine Hemdsärmel – bei gerade herunterfallenden Armen – einen guten Zentimeter herausragen. Bei der Wahl meines Hemdes habe ich ganz bewusst ein wenig Farbe ins Spiel gebracht: Zur Grundfarbe Weiß, gesellen sich hellblaue, bzw. orangefarbene Karomuster. Mein hochwertiges Businesshemd eines englischen Herstellers hat einen etwas breiteren Kentkragen. Auf eine Krawatte habe ich verzichtet.
Meine Selbstbeurteilung zur Kleiderwahl:
Ich denke, dass ich bei meinem Kunden aus der Medizinbranche einen sehr aufgeräumten und eleganten Eindruck hinterlassen habe. Allerdings empfand ich meine tollen Schuhe nach insgesamt fünf Stunden Aufenthalt in der Praxis (Fotografie von Behandlungsräumen und Portraitaufnahmen mehrerer Mediziner) als sehr unbequem. Vielleicht hätte ich anstatt der Stoffhose auch eine Kord- oder Chinohose und dazu dann bequemere Schuhe tragen sollen.
Und was würde ich anziehen, wenn ein Stadtmagazin mich beauftragen würde eine Portraitserie von Kindern in einem Kindergarten zu machen?
Ich denke da zuerst an ein witziges buntes T-Shirt. Dazu vielleicht eine Jeansjacke und passend zum Shirt ein Basecap. Ein paar coole Turnschuhe aus Stoff währen auch ganz sinnvoll, um bei den Kindern gut anzukommen.
Ihr seht anhand der recht unterschiedlichen Aufzählungen: ich finde es wichtig meinen Kleidungsstil so gut es geht an meine Umgebung in der ich gerade arbeite, anzupassen.
Doch jeder Kunde ist anders
Ich denke, dass es sich im Berufsfeld des Internetmarketer ähnlich verhält. Beim Anbieten eurer Dienstleistungen trefft Ihr – so wie ich – auf sehr unterschiedliche Kunden und Unternehmen. Eine Präsentation in einer angesehenen Düsseldorfer Rechtsanwaltskanzlei ist etwas ganz anderes, als ein Beratungstermin bei einem mittelständigen Handwerkerbetrieb. Bei den eher konservativ eingestellten Juristen kann es durchaus sinnvoll sein, den Termin im klassischen, gut sitzenden und exquisiten Businessanzug mit hellem Hemd und dezenter Krawatte wahrzunehmen.
Und was würde der Handwerksmeister von einem derartig Auftritt halten?
Klar, irgendwo bleibt das auch spekulativ. Aber ich kann mir kaum vorstellen, dass er all zu viel mit diesem ”piekfeinen Edelzwirn” anzufangen weis.
Wie Ihr seht, versuche ich in Sachen Kleidung möglichst variabel zu sein und mich bei der täglichen was-zieh-ich an-Frage an meine jeweilige Kundschaft anzupassen. Der Nachteil dieser Herangehensweise liegt natürlich auf der Hand. Denn wer anstrebt, sozusagen möglichst in allen Lebenslagen, korrekt angezogen zu sein, benötigt natürlich einen entsprechend gut gefüllten Kleiderschrank. Wichtig ist meiner Ansicht nach auch, darauf zu achten, dass alle Kleidungsstücke, die man zu geschäftlichen Anlässen trägt, als qualitativ hochwertig und gepflegt wahrgenommen werden.
Alles also nicht so ganz einfach. Vor allem, weil man durchaus behaupten darf, dass wir Deutschen nicht unbedingt als Trendsetter gelten, wenn es um Mode- oder Kleidungsstilfragen geht. Bei meiner fotografischen Arbeit im Bereich Business- und Bewerbungsfotos spielt das Thema Kleidung eine wichtige Rolle. Zu oft habe ich allerdings das Gefühl, dass die Menschen, die in ein mein Kölner Fotostudio kommen, das nicht so sehen.
Schlecht sitzende, preiswert erworbene Sakkos, zu weit geschnittene bügelfreie und stinklangweilige Businesshemden einer bestimmten (preiswerten) Marke, globig wirkende “Businessschuhe“ mit Gummisohle, ja, das und vieles mehr sind durchaus Erkennungsmerkmale des deutschen Geschäftmannes. Bei uns scheint es bei Kleidung eben in erster Linie darum zu gehen, dass sie praktisch und preiswert ist. Dass Mode und Kleidung auch eine Art Sprache ist und sehr viel über den Träger verrät oder dass sie gar dazu beitragen kann positive Assoziationen in unserem sozialen Umfeld zu erzeugen, diese Einsicht ist bei uns nicht unbedingt allgemein anerkannt.
Also liebe Internetmarketer, man muss es bei der von Götz und Guido völlig zu Recht gestellten Kleidungsfrage zwar nicht übertreiben und von jetzt auf gleich zur Modeikone mutieren; das Bewusstsein dafür, dass Kleidung IMMER kommuniziert und demnach vorteilhaft gewählte Kleidung eben POSITIV wahrgenommen wird, wäre aber schon ein erster Schritt.
Hier nun ein paar interessante Surftipps im Web:
Auf stilmagazin.de könnt Ihr Euch sehr umfangreich in das Thema klassische Herrenmode einlesen. Vieles, was ich über das Thema weiß und versuche an mir selbst oder aber im Bereich der Businessfotografie anzuwenden, habe ich auf dieser tollen Webseite erfahren.
Wie man sich in Deutschland kleidet. Sehr lesenwerter Artikel auf ZEIT-ONLINE.
Zum Zeit.de Artikel „Wie man sich in Deutschland kleidet“
Ein wichtiges Nachschlagewerk in Buchform gibt es natürlich auch:
DER GENTLEMAN, Handbuch zur klassischen Herrenmode. Erschienen im Ullman Verlag. Aus gleichem Haus darf ich das Buch HERRENSCHUHE HANDGEARBEITET empfehlen.
Ich hoffe Euch mit meiner Antwort ein wenig weitergeholfen zu haben und freue mich wie immer auf Eure Anregungen und Kritik!
Liebe Grüße aus Köln
Bernd Löber
Zur Homepage von Bernd Löber:
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Vielen Dank für die ausführliche und anschauliche Antwort, Bernd. Du hast natürlich recht, wenn man professionell vor den Kunden auftreten will, wird man nicht um die Frage herumkommen: „Was möchte ich darstellen und wie will ich mich präsentieren? “ Dazu gehört es dann auch, auf die richtige Kleidung zu achten, denn nur weil man selber keinen besonderen Wert auf einen ordentlichen Kleidungsstil legt, heisst dies noch lange nicht, dass das Gegenüber genauso denkt.
Aber was ist die Meinung von unseren Lesern? Hat jemand schon ein Offline Seminar gehalten, und wenn ja wie sind Sie im Vorhinein mit der Kleidunsgfrage umgegangen? Oder wie sind Sie zu Ihrem letzten Geschäftstermin gegangen? Über Kommentare und Anregungen würden wir uns freuen.
Mit freundlichen Grüßen,
Götz & Guido
Agnes Haft meint
Hallo,
super Thema. Sehr interessant und nützlich.
Aber eine Frage. Es wird immer nur von den Herren geredet. Was ist denn mit den Frauen?
Oder steht das nicht zur Debatte? Was würde einer Frau geraten?
LG Agnes
Beatrice Fischer-Stracke meint
Hallo,
vielen Dank für das wirklich interessante Interview.
Es wird wirklich viel zu oft vergessen, dass man durch das, was man am Körper trägt, sofort in einer visuellen Schublade der Gegenüber landet. Und gerade in Deutschland legen viele wenig Wert auf Äußeres.
Ich stelle mir die Frage auch immer wieder, wie ich mich zu bestimmten Anlässen anziehe. Auch wenn man heute in Businessfragen lässiger umgeht, sollte man bei allem, was man trägt, Stil haben und seinen eigenen Stil und Persönlichkeit mit der Kleidung unterstreichen.
Dabei gehört Kleidung auch zu einer Kultur und sagt sehr viel über Kreativität und Lebenseinstellung aus.
Herzliche Grüße
Beatrice Fischer-Stracke
Biggi Strottner meint
Hallo Götz und Guido,
wirklich ein sehr interessantes Thema das Ihr hier angeschnitten habt.Wie Ihr schon sagt kommt es immer auf die Branche an,klar das ein Banker anders angezogen sein sollte als ein Internetmarketer.
Ich denke Urlaubsoutfit für ein Offline-Seminar ist nicht so das wahre, aber eine schicke Jeans ein Hemd das passende Sakko plus Businessschuhe wäre für mich absolut ok.
Dasselbe gilt auch für Frauen,eben sportlich schick damit macht man nichts verkehrt.
Ich bin zumindest bis jetzt immer gut damit klar gekommen.
LG Biggi
Claudioricardo meint
Ein sehr interessanter Beitrag zu einem Thema das mich auch schon öfter berührte.
In Zeiten wo Politiker fast schon zum Schimpfwort dekratiert wurden und Bänker tagtäglich für neue, negative Schlagzeilen verantwortlich gemacht werden, ist für manche Anzug und Krawatte schon eher eine abschreckende Kleiderwahl.
Ich persönlich bin auch immer etwas emotionsgeladen, wenn vor meiner Haustür jemand steht, der mit Anzug und Krawatte begleidet ist. Erster Negativgedanke: „der will was“. Vertreter, Beamte, Zeuge Jehovas …?
Steht da aber jemand mit Poloshirt und Jeanshose, erweckt er zumindest kein Misstrauen.
Man sollte in heutiger Zeit den Spruch „Kleider machen Leute“ neu überdenken und vielleicht mal einen Blick in manche Sciene-Fiction-Serien werfen: dort erscheint Mode kein Thema mehr zu sein und einheitlich (bequeme) Kleidung hat sich scheinbar durchgesetzt.
Viele Grüße, Klaus
Phil meint
naja, schon klar, dass man sich je nach situation kleidet … das sollte einem der gesunde Hausverstand sagen. Und das man nie nicht kommunizieren kann sollte sich auch herumgesprochen haben … dafür bedarf es nicht unbedingt eines Artikels in der Länge einer Doktorarbeit 😉
Bernd Löber meint
Hallo Phil, vielen Dank für Deine interessante Antwort. Es wäre schön wenn Deine Aussagen zumindest ansatzweise die Realität widerspiegeln würde. Denn dann wären meine Aufträge als Business- und Bewerbungsfotograf deutlich einfacher zu bewältigen. Ich muss aber leider nach einigen Jahren Erfahrung auf diesem Gebiet feststellen: Menschen, die, wie Du sozusagen „mit dem Hausverstand“ wissen, wie sie sich vorteilhaft kleiden und dann demnach auch über die benötigten Kleidungsstücke verfügen, sind glasklar die Ausnahme.
eMaBo meint
Wichtig finde ich auch, dass angemessene Kleidung was mit Respekt und Wertschätzung dem Gegenüber zu tun hat.
Erik meint
Sehr gutes Thema. Danke für die Buch Tipps. man sollte immer wieder schauen für welchen Anlass ich welche Kleidung benutze. Darüber hinaus tut es jedem in der Öffentlichkeit stehenden Menschen gut sich zu Informieren was er mit seiner Kleidung komuniziert.